Als ich 2017 aufhörte mit dem Rauchen, hatte ich sicher 15 Jahre nichts gemacht, was man guten Gewissens irgendwie als Sport bezeichnen könnte. Es schlummerte aber immer in meinem Hinterkopf, wie gerne ich früher mit dem Rad gefahren bin. Mein Rad hatte ich noch beim Umzug 2001 nach Berlin, allerdings habe ich es kaum gefahren. Alle Wege waren einfach mit den Öffis und dem Semesterticket problemlos ohne zu schaffen. Wann genau ich es verlor, weiß ich nicht mehr. Wenn ich mich recht erinnere, ist es mir aus dem Fahrradkeller meiner ersten WG gestohlen worden?!
Auch als frischgebackener Nichtraucher dauerte es aber noch etwa zwei Jahre, bis ich mir wieder ein Rad zulegte. In den Kleinanzeigen auf Facebook hatte ich dann für 100€ ein gebrauchtes Treckingrad gefunden und gekauft.
Dieses Rad begleitete mich zwei Jahre lang. Von den ersten Ausfahrten, die nur wenige Kilometer lang waren, meine Kondition nicht vorhanden, so dass ich nach vier, fünf Kilometern völlig fix und fertig zuhause ankam, bis zu den ersten zweistündigen Ausflügen um die 30 bis 40 Kilometer. Mit dem Rad habe ich Komoot schätzen gelernt. Ich habe Lust und Spaß an Bewegung kennengelernt und den schönen Schönbuch von einer anderen Seite entdeckt.
Im Juni 2021 habe ich dann in einem unvorsichtigen Moment eine Bordsteinkante nicht richtig eingeschätzt, fuhr in viel zu kleinem Winkel darauf zu und rutschte aus. Das Ergebnis: eine veritable Prellung meiner linken Schulter und ein ordentlich verbogener Lenker.
Daraufhin habe ich angefangen, mich nach einem neuen Rad umzusehen. Denn eines war klar: ohne Radfahren ging es nicht mehr. Und wenn ich schon Geld investieren musste… Über einen Beitrag im Magazin Radfahren, in dem verschiedene Treckingräder verglichen wurden, bin ich dann auf ROSE Bikes gestoßen und insbesondere auf das Multisport 3. Zwischendurch hieß es wohl Multistreet? Mein Arbeitgeber bietet Jobrad an, woran ich mich ebenfalls erinnerte. Nach einigem Hin und Her habe ich mich schlussendlich entschieden, besagtes Rad per Jobrad zu leasen. Da das ganze inmitten der Corona-Pandemie passierte und zu der Zeit einfach alle und jeder ein neues Rad wollten, lag die Lieferzeit bei mehreren Monaten, 11 Wochen, wenn ich mich recht erinnere. Aber Geduld war immer schon eine meiner Stärken, also machte mir das nicht viel aus. Das Rad kam dann zum ersten September.
Und was soll ich sagen: mit diesem Rad wurde, was vorher nur eine Liebelei war, eine Leidenschaft für mich: das Radfahren. Ich hatte ja keine Ahnung davon, wie sich die Technik weiterentwickelt hatte. Wie leicht ein Fahrrad sein konnte. Auf einmal war das Rad flott unterwegs. Trug mich längere und längere Strecken. Und wollte einfach gefahren werden.
Über die kommenden drei Jahre, die das Leasing dauerte, habe ich angefangen, ganze Tagestouren zu planen. Habe mir Fittingvideos auf Youtube angesehen. Habe mir ergonomische Griffe gekauft, mir einen Radcomputer von Garmin zugelegt. Ich kaufte Radlerhosen, atmungsaktive Shirts, meine Touren wurden immer länger usw. usf.
2022 fuhr ich das erste Mal eine Tour über 70km, von Freudenstadt zurück nach Hause, vorbei an der Nagoldtalsperre. Im Gegensatz zu heute war ich nicht gut vorbereitet. Ich wusste nicht, wo ich Essen würde. Mir war nicht klar, dass Nahrung und isotonische Getränke bei so einer Tour einen wirklichen Unterschied machen. Insbesondere den Punkt mit den isotonischen Getränken habe ich in dem Jahr erst wirklich begriffen. Adieu, Wadenkrämpfe! (Jedenfalls meistens…)
Wohin würde die Reise weitergehen? Da ist das Stichwort schon gefallen. Radfahren auf Tagestrips und zur Arbeit schön und gut, 2023 habe ich aber dann – recht spontan im Nachhinein betrachtet – meine erste mehrtägige Radreise gemacht: den Heidelberg-Schwarzwald-Bodensee-Radweg des ADFC (dokumentiert auf Komoot natürlich). Den Urlaub habe ich von der ersten bis zur letzten Sekunde genossen. Jeden Tag draußen, kaum Regen, entspannte Etappen um die 50 bis 60km, nachmittags die Zielorte zu Fuß erkunden. Wenn ich vorher noch kein Blut geleckt hatte, spätestens jetzt war es soweit.
Insgesamt bin ich 2023 über 2730km gefahren (nach 1800km in 2022, 1060km in 2021, 200km 2020 und 275km 2019). Als Ziel hatte ich mir lediglich vorgenommen, die 1800km des Vorjahres zu übertreffen. Auch meine erste Tagestour über 100km habe ich 2023 absolviert, einmal rund um den Schönbuch.
Parallel zu der ganzen Fahrpraxis habe ich mich auch immer weiter ausgestattet. Fahrradtaschen und ‑klamotten, weitere Garmingeräte etc. (Ich glaube ja, ich bin den ganzen Influencern und der vielen Werbung auf Instagram auf den Leim gegangen.) Jedenfalls habe ich mir auch Klickpedale und die passenden Schuhe dazu erstanden. Inzwischen möchte ich nicht mehr ohne Radfahren. Ich fahre auch keine längeren Strecken mehr ohne Radhose und ohne Handschuhe. Und definitiv fahre ich nicht mehr ohne Helm. Den wegzulassen fühlt sich inzwischen an, wie unangeschnallt Auto zu fahren: falsch.
Außerdem habe ich angefangen, mit einem Gravelrad zu liebäugeln. Bis vor kurzem wusste ich nicht mal, was das ist, aber je mehr und mehr ich darüber hörte und je mehr Influencer, Youtuber und Radfahrer auf freier Wildbahn ich auf solchen Rädern sah, desto mehr hatte ich Lust, selbst mal auf einem zu sitzen. Also habe ich im Spätsommer 2023 eine Probefahrt auf einem Backroad (ein Gravelrad von ROSE Bikes) gemacht. Danach war alles klar. So eines würde ich mir auch zulegen.
Bevor es aber soweit kam, gab es 2024 noch zwei weitere Radreisen: eine im Juni den Rhein entlang von Karlsruhe nach Koblenz zusammen mit der Liebsten und dem Schwiegerpapa.
Dabei gab es eine wichtige Erkenntnis: die richtigen Regenklamotten sind Gold wert. Diese Erkenntnis sollte ich später im Jahr noch einmal bestätigen, nämlich auf der zweiten Reise, die ich zusammen mit meinem Bruder unternommen habe: wieder eine Tour vom ADFC, den Schwäbische-Alb-Radweg (auch diese Tour gibt es wieder auf Komoot). Fotos gibt es nicht nur gleich hier, sondern auch auf dem Insta-Konto des ADFC.
Auf dieser Reise habe ich insbesondere die Regenschuhe zu schätzen gelernt, die ich zu Beginn der Rheintour noch schmerzlich vermisste. Außerdem habe ich mit deutlichen Konsequenzen gelernt, dass man nach einer langen und anstrengenden Tour unbedingt genug essen sollte. Nach der längsten Etappe, die mir gleichzeitig mit über 1000m einen neuen Tagesrekord an Höhenmetern bescherte, aß ich zwar lecker, aber nicht reichlich, vor allem nicht reich an Kohlenhydraten. In der Nacht schlief ich nicht sonderlich gut und am nächsten Tag hatte ich definitiv nicht genug Energie übrig und war eigentlich zu erschöpft, um weiter zu fahren. Am Ende der Reise am Bodensee war das natürlich egal, und die Lektion habe ich für weitere Touren definitiv gelernt, zum Beispiel den insgesamt zwei Tagestouren über 100km, die ich dieses Jahr gefahren bin. Nebenbei: auch dieses Jahr möchte ich meine Kilometerzahl gerne wieder erhöhen und bin auf einem guten Weg. Stand heute habe ich 2576km zusammen, also keine 300 mehr, um letztes Jahr zu knacken.
Wer vorhin aufgepasst und richtig mitgerechnet hat, hat natürlich mitbekommen, dass das Leasing meines Rades nach drei Jahren diesen August ausgelaufen ist. Ich habe es zum Restwert übernommen, nun gehört es wirklich mir und wird bei der nächsten Codierungs-Aktion des ADFC codiert werden. Außerdem bedeutet es, dass ich einen neuen Leasingvertrag abschließen konnte, und auch da wisst ihr, was das bedeutet: ich fahre seit Ende August ein Gravelrad.
Damit habe ich nun ein ganz neues Kapitel aufgeschlagen. Das Fahrrad macht noch einmal eine ganze Schippe mehr Spaß als es das Treckingrad schon machte. Und gleichzeitig muss ich nun eine neue Haltung auf dem Rad lernen. Ich muss den Lenker und die Agilität des Rades kennenlernen. Ich spüre durch die sportlichere Haltung auf dem Rad Muskeln insbesondere an Schultern und Rücken, die ich vorher nicht wahrgenommen habe.
Ich bin nun gespannt darauf, was der Rest des Jahres und was die kommenden Jahre noch bringen werden.
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